Physiologische Grundlagen der Entstehung von Abhängigkeit

Alle Phasen der Abhängigkeit spielen sich primär im gleichen kleinen Hirnareal ab: im Nucleus accumbens, dem so genannten „Belohnungssystem“. Es verbindet lebenswichtige Vorgänge wie Essen, Trinken und Sex mit einem Lustgefühl. Dazu schütten die Nervenzellen Botenstoffe aus, vor allem Dopamin. Nikotin steigert die Ausschüttung des Dopamins.

Das „Belohnungszentrum“ verknüpft die Umstände des Konsums mit der spezifischen Wirkung der Droge. Nikotin löst also eine wohlige Gefühlskaskade im Belohnungszentrum des Gehirns aus. Eine Zigarette beglückt den Raucher ähnlich wie ein Kuss oder ein gutes Essen. Diese „Belohnung“ wird direkt mit der Tätigkeit des Rauchens assoziiert.

Der regelmäßige Raucher wiederholt ständig seine „Erfahrung“, dass Rauchen eine beglückende Tätigkeit sei. Dies prägt sich tief in sein Unbewusstes ein, es entsteht ein sogenanntes „Suchtgedächtnis“. Dieses Gedächtnis wird aktiv, wenn der Spiegel an wirksamen Substanzen im Belohnungszentrum nachlässt, oder wenn der Raucher einen anderen rauchen sieht. Dann erwacht wieder das Verlangen nach einer neuen Dosis Nikotin.

Ein weiterer Aspekt ist die Vermehrung der Anzahl von Nikotinrezeptoren bei chronischem Nikotinabusus. Bei Untersuchungen an Gehirnen gestorbener Raucher wurden doppelt so viele Rezeptoren gefunden wie bei Nichtrauchern. Eine Hypothese ist, dass dadurch bei Kettenrauchern besonders viel Dopamin ausgeschüttet wird, was eine intensivierte Reaktion auf das Nikotin zur Folge hat. Allerdings ist das Phänomen reversibel: bei Ex-Rauchern sinkt die Anzahl der Nikotinrezeptoren wieder in den Normbereich. Das Suchtgedächtnis scheint jedoch eine irreversible Komponente aufzuweisen, die die Entwöhnungsschwierigkeiten erklärt.

Mit zunehmender Gewöhnung nimmt die Zahl der Rezeptoren zu, dafür werden sie unempfindlicher. Das Gehirn braucht größere Dosen der Droge.


Fagerström-Test für Nikotinabhängigkeit

Um besser und standardisiert beurteilen zu können, wie sehr ein Mensch vom Nikotinkonsum abhängig ist, wird von behandelnden Ärzten zunehmend der Fagerström-Test verwendet. Drucken Sie untenstehendes Formular aus, beantworten Sie die Fragen, summieren Sie die Punkte und zeigen Sie das Ergebnis Ihrem Arzt:

Frage Wahlmöglichkeit Bewertung
Wann nach dem Aufstehen rauchen Sie Ihre erste Zigarette? innerhalb von 5 min 3
6 bis 30 min 2
31 bis 60 min 1
nach 60 min 0
Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist (z.B. Kirche, Bücherei, Kino usw.) das Rauchen zu unterlassen? ja 1
nein 0
Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen? die erste am Morgen 1
andere 0
Wieviele Zigaretten rauchen Sie im allgemeinen pro Tag? bis 10 0
11 bis 20 1
21 bis 30 2
31 und mehr 3
Rauchen Sie am Morgen im allgemeinen mehr als am Rest des Tages? ja 1
nein 0
Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im Bett bleiben müssen? ja 1
nein 0
Ihre Punkteanzahl

Abhängigkeitsstufen
Der Test besteht aus sechs Fragen, die Antworten lassen eine Kategorisierung der Nikotinabhängigkeit zu. Demzufolge werden folgende Abhängigkeitsstufen unterschieden:

  • geringe Abhängigkeit (0 bis 2 Punkte)
  • mittlere Abhängigkeit (3 bis 5 Punkte)
  • starke Abhängigkeit (6 bis 7 Punkte)
  • sehr starke Abhängigkeit (8 bis 10 Punkte)

Es gibt auch alternative Kategorisierungen.
Abhängigkeitsindikatoren
Nicht zuletzt wegen der schnellen Durchführbarkeit und des direkt ablesbaren Ergebnisses erfreut sich der Fagerström-Test international großer Beliebtheit. Er ist in Behandlungsstudien weit verbreitet und besitzt eine hohe Zuverlässigkeit ebenso wie eine hohe Gültigkeit. Als Indikatoren des Abhängigkeitsgrades haben sich bestimmte Aspekte besonders bewährt:

  • frühmorgendliches Rauchen
  • mehr als zehn konsumierte Zigaretten täglich
  • mehrfache, vergebliche Abstinenzversuche in der Vergangenheit.

Aussagekraft
Neben der Graduierung der Nikotinabhängigkeit kann man aus dem Test auch die Chancen für eine erfolgreiche Nikotinentwöhnung herauslesen. So kann der Test eine gute Prädiktion des kurz- und mittelfristigen Abstinenzerfolges leisten, jedenfalls bei Männern, während für Frauen der Cotininspiegel zu Therapiebeginn den Entwöhnungserfolg bei Therapieende und nach einem Jahr vorhersagt.Als Vorläufer des Fagerström-Tests gilt das Fagerström Tolerance Questionnaire (FTQ). Ein speziell für Jugendliche entwickelter Test, der Modified Fagerström Tolerance Questionnaire (mFTQ) wurde ebenso publiziert, hat sich aber als nicht repräsentativ erwiesen.


Strategien der Zigarettenindustrie

von  Prof. Dr. med. Martin Kaltenbach, Dreieich

Am 8. Oktober 1997 fand in Bonn eine Sitzung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags zum Thema Rauchen statt. Es ging um den Antrag einer interfraktionellen Gruppe von Abgeordneten(CDU, SPD, FDP) unter Führung von Roland Sauer, MdB, der den Schutz vor dem Passivrauchen zum Ziel hatte. Zur gleichen Zeit lag ein Gesetzesentwurf der Europäischen Union
(EU-Richtlinie 98/43/EC) vor, der ein vollständiges Verbot der Werbung für Zigaretten und andere Tabakwaren vorsah. In der Bonner Sitzung des Gesundheitsausschusses wurden etwa 20 Experten aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten angehört. Als Kardiologe und Vertreter der Deutschen Herzstiftung war auch ich eingeladen. Zum allgemeinen Erstaunen– üblicherweise haben drei Professoren vier verschiedene Meinungen – unterstützten die vielen Experten den Antrag praktisch einmütig, wobei wichtige Argumente in fundierter Form vorgetragen wurden. Die einzige Ausnahme bildete Prof. Dr. med. Franz Adlkofer, dessen Ausführungen aber ohnehin mit Zurückhaltung aufgenommen wurden, weil bekannt war, dass er lange Jahre als leitender Wissenschaftler bei der Zigarettenindustrie tätig war. Der Antrag der interfraktionellen Gruppe wurde am 5. Februar 1998 (vor allem mit den Stimmen von CDU und FDP) im Bundestag abgelehnt. Stichhaltige Gründe für die Ablehnung wurden nicht mitgeteilt. In Anbetracht der ausführlich diskutierten wissenschaftlichen Tatbestände und der nahezu einmütigen Stellungnahme der geladenen Experten war diese Entscheidung nicht zu verstehen. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier im Interesse der Zigarettenindustrie gehandelt wurde.
Schon zuvor war zu beobachten, dass die Zigarettenindustrie große Anstrengungen machte, die öffentliche Meinung und die Meinung von Wissenschaftlern und Ärzten bezüglich der Wirkung des Passivrauchens zu beeinflussen. Die Meinung von den verschwindend wenigen Wissenschaftlern, die die Gefahren des Passivrauchens als gering ansahen, wurden einseitig verstärkt und die allgemeine wissenschaftliche Erkenntnis verschwiegen oder propagandistisch überdeckt. Wie erfolgreich diese Beeinflussung war, konnte man jahrelang an den in Zeitungen und halbwissenschaftlichen Zeitschriften eingestreuten Artikeln mit völlig einseitigen Informationen ablesen. Der Einfluss ging so weit, dass anderslautende Artikel erst gar nicht zur Publikation angenommen wurden. Die Hintergründe dieser Kampagne und der zunächst unerklärlichen Bundestagsentscheidung wurden jetzt offenbar. Aufklärung über die Strategien der Zigarettenindustrie wurde dadurch möglich, dass die amerikanische Zigarettenindustrie nach den zahlreichen gegen sie geführten Prozesse gezwungen wurde, ihre Archive mitinternen, bisher geheimen Dokumenten zur Einsicht freizugeben. Es handelt sich um die Archive von Philip Morris, R J Reynolds und British American Tobacco. Eine Gruppe angesehener amerikanischer Wissenschaftler1 hat die Archive studiert und ihre Ergebnisse unter dem Titel Tobaccoindustry strategies for influencing EuropeanCommunity tobacco advertising legislation in Lancet (13. April 2002, Nr. 359; S. 1323 ff.) veröffentlicht. Dieser Text wird ergänzt durch eine im Internet verfügbare, ausführliche Dokumentation unter www.library.ucsf.edu/tobacco/euad/. Aus dieser Publikation geht hervor, dass die Zigarettenindustrie systematisch alles daran gesetzt hat, um Beschlüsse auf europäischer Ebene in ihrem Sinn zu beeinflussen und unangenehme Entscheidungen zu verhindern. Dazu wurden die
Regierungen von Ländern, die für die Tabakindustrie ein offenes Ohr hatten, fortlaufend beobachtet und beeinflusst. Es handelte sich vor allem um Deutschland, England und die Niederlande. Unter
der Führung Deutschlands blockierte diese Minorität die Gesetzgebung eines Werbeverbots für Tabak: „The blocking minority, led by the German delegation, actively prevented any further
progress on the directive between 1992 and 1997.“

Der Bericht zeigt, dass die Zigarettenindustrie es darauf anlegte, Bündnisse mit wichtigen Politikern und Marketing- und Mediagruppen zu schmieden. Kampagnen gegen das Werbeverbot für Zigaretten liefen unter dem Banner Meinungsfreiheit mit Hilfe eines Komitees Freedom of Commercial Expression. Damit – unterstützt durch die Attraktivität von der Verbindung von Formel-1-Rennen mit Zigarettenmarken – gelang es der Zigarettenindustrie, ein ihr günstiges politisches und öffentliches Klima zu schaffen. Einen großen Erfolg erzielte die Zigarettenindustrie durch die Stillegung eines wissenschaftlichen Instituts in Belgien. Dieses Institut (European Bureau for Action on Smoking Prevention BASP) hatte sich die Eindämmung des Rauchens zum Ziel gesetzt. 1988 gegründet wurde es 1990 in die Europäische Union integriert und von ihr finanziert. Seine Hauptrolle war, die EU zu beraten bei ihrem Programm Europa gegen den Krebs und Informationen über die Tabakindustrie zu beschaffen. Das Institut koordinierte auch nationale Kampagnen gegen das Rauchen in eine breite europaweite Bewegung und veröffentlichte wirkungsvolle Aufklärungsschriften wie z. B. Give Children a Chance. Es beobachtete die Aktivitäten der Zigarettenindustrie kritisch und fand zum Beispiel heraus, wie die Zigarettenindustrie die Vorschriften für Warnhinweise auf Zigarettenpackungen umging. Die Aktivitäten des Instituts beunruhigten die Zigarettenindustrie mehr und mehr. Schließlich gelang es Deutschland, England und Niederlande – also den Ländern, die am meisten unter dem Einfluss der Tabakindustrie standen – einen europäischen Beschluss herbeizuführen, der zur
Streichung der EU-Mittel und damit zur Stillegung des Instituts führte. Was hat Politiker bewogen, mehr auf die Zigarettenindustrie zu hören als auf wissenschaftliche Experten? Im Falle der englischen Regierung enthält die Dokumentation konkrete Hinweise. Es wird die Summe aufgeführt, die jährlich an Margaret Thatcher nach ihrem Rücktritt von 1992 an floss: nämlich 250 000 Pfund jährlich an sie selbst und 250 000 Pfund jährlich an die Margaret Thatcher-Stiftung. Leider wird Deutschland mehrfach als besonders wichtiger Partner der Zigarettenindustrie angeführt.
Auch Helmut Kohl erscheint in dem Bericht für die Zigarettenindustrie als Person bedeutsam und ihr zugewandt. Schon 1978, als Kohl Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war,
dankte ihm Dieter von Specht, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Zigarettenindustrie (VdC) und von British American Tobacco Deutschland: „Allerdings erschöpft sich die Bedeutung
Ihres Schreibens an uns nicht bloß in dem bloßen Akt der Informationsvermittlung. Es ist unseres Wissens das erste Mal, dass sich ein Fraktionsvorsitzender in dieser Form persönlich an die
Wirtschaft gewandt hat.” 1993 geht aus den internen Papieren hervor, dass die Zigarettenindustrie mit der Unterstützung von Helmut Kohl im Kampf gegen das Werbeverbotrechnete. Auch Martin Bangemann (damals Mitglied der europäischen Kommission) erwies sich als wichtiger Bundesgenosse in diesem Kampf.

Nach Abwahl der konservativen Regierung änderte sich in England die gefügige Einstellung zum Wohl der Zigarettenindustrie. Dadurch gelang schließlich die Durchsetzung des Gesetzesentwurfs im europäischen Parlament (1998). In Deutschland blieb die Haltung dagegen durch den Regierungswechsel unbeeinflusst und das Gesetz wurde schließlich durch Deutschland zu Fall gebracht. Aufgrund einer von Deutschland angestrengten Klage wurde am 5. Oktober 2000 die Richtlinie gegen das Werbeverbot (98/43/EC) juristisch gestoppt wegen Kollision mit Artikel 95. Ein solches Verhalten ist mit der Maxime „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“ nicht
vereinbar. Wir dürfen nichts unversucht lassen, um unserer Regierung und jedem Abgeordneten klarzu machen, dass aktives und passives Rauchen ein Umweltgift ersten Grades darstellt, das für vorzeitigen Tod infolge Herzinfarkt, Schlaganfall und einer immer länger werdenden Liste verschiedener Krebsleiden verantwortlich ist. Neben dem Lungenkrebs, dessen Verursachung durch Zigarettenrauchen schon lange bekannt ist, wurde in jüngster Zeit auch festgestellt, dass Brustkrebs bei Frauen, die früh mit dem Rauchen begonnen haben, doppelt so häufig auftritt wie bei Nichtraucherinnen. Infolge der falschen deutschen Gesundheitspolitik ist es inzwischen soweitgekommen, dass die jungen Mädchen in unserem Land europaweit am meisten rauchen. Die Folgen werden erst Jahrzehnte später in vollem Umfang auftreten. Schon jetzt ist aber erkennbar, dass der Lungenkrebs jedes Jahr bei Frauen häufiger wird! Nach Angaben der Bundesärztekammer sterben jährlich in Deutschland über 100 000 Menschen an den direkten Folgen des Rauchens, das heißt 274 Menschen jeden Tag. Wieviel Leid ist damit verbunden! Auch der volkswirtschaftliche Schaden – das sei denen gesagt, die alles unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen wollen – ist immens. Unglücklicherweise handelt es sich nicht um Sünden der Vergangenheit, die man jetzt vergessen
könnte. Vielmehr hat die Bundesregierung vertreten durch das Bundesgesundheitsministerium am 20. März 2002 mit dem Verband der Zigarettenindustrie einen Vertrag geschlossen, mit
dem sie sich erneut in das Boot dieser Industrie begibt. Sie wird ab jetzt über fünf Jahre eine Werbekampagne gegen das Rauchen von Kindern und Jugendlichen mit insgesamt 11,8 Millionen
Euro unterstützen. Die Initiative ging bemerkenswerterweise von der Zigarettenindustrie aus. Diese hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie die eigenen Interessen der Gesundheit von Jugendlichen voranstellt. So ist bekannt, dass die Suchtgefährdung schon nach Rauchen über wenige Wochen einsetzt, ohne dass daraus irgendwelche Konsequenzen gezogen worden wären. Es
muss daher befürchtet werden, dass auch diese Aktion von der Industrie nur benutzt wird, um Prestige zu gewinnen und die Werbekampagne gegen das Rauchen in ihrem Interesse zu beeinflussen.
Eigentlich beinhaltet schon der Wortlaut des Vertrags den Sieg der Industrie, indem die Werbeoder Aufklärungsmaßnahmen „nicht die Zigarettenindustrie oder deren Produkte diskriminieren“
dürfen. Was soll die Kampagne zum Inhalt haben, wenn die eminente Schädlichkeit der Zigaretten nicht dargestellt werden darf ? Über einhundert deutsche und europäische Organisationen,
die sich mit den Auswirkungen des Rauchens beschäftigen, haben die Beweggründe dieses Vertrags als unlauter eingestuft und deswegen einen Brief an den deutschen Bundeskanzler gerichtet, in dem dieser aufgefordert wird „sich nicht länger schützend vor die Zigarettenindustrie zu stellen“. Auch ein anderer Vorgang aus jüngster Zeit wirft ein schlechtes Licht auf Deutschland: Die Europäische
Union hat eine neue Richtlinie (2001/37/EC) erlassen, um den Schadstoffgehalt der Zigaretten zu begrenzen, die Warnhinweise auf den Verpackungen zu vergrößern und verharmlosende
Zusätze wie mild und leicht zu verbieten. Auch dagegen hat die Bundesregierung geklagt. Ihre Klage wurde am 15. Mai 2002 abgewiesen, weil sie zuspät eingereicht war. Wir leben in einer Demokratie und dürfen nicht resignieren. Vielmehr müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um unseren Abgeordneten und unserer Regierung deutlich zu machen, dass diese Handlungsweise nicht dem Wohl des Volkes dient und auch nicht dem Mehrheitswillen der deutschen Bevölkerung entspricht. Sowohl die nichtrauchende Bevölkerung als auch die große Mehrheit der Raucher missbilligt die durchsichtige Bevorzugung der Zigarettenindustrie. Es kann nicht länger geduldet werden, dass sichDeutschland den europäischen Partnerländern gegenüber unglaubwürdig macht.


Wissenschaftskritik im Rahmen der Nikotinprävention

Kritik an Wissenschaft und an Wissenschaftsjournalismus ist in einer offenen Gesellschaft nicht nur legitim, sondern leider oft auch notwendig. Auch wenn dieser Gedanke manchen Standesvertretern nicht gefallen mag – es wäre das erste Jahrzehnt der Menschheitsgeschichte, in dem Wissenschaft fehlerlos wäre. Wer auf Denkfehler in der Wissenschaft stößt, hat die Pflicht, sie zu benennen. Die DGNP betrachtet viele Studien und Forschungen über das Rauchen mit Skepsis. Es ist eine Binsenweisheit, dass Studien manipulierbar sind. Es ist im Wissenschaftsbetrieb ein offenes Geheimnis, dass Studien von Drittmittelgebern oft zu den Ergebnissen führen, die sich Drittmittelgeber wünschen. Es ist zudem üblich, dass Journalisten die Kernaussagen von Studien veröffentlichen, wenn diese nur den Anschein haben, seriös zu sein.

Die DGNP ist daher im Umgang mit Studien äußerst vorsichtig. Nicht nur, weil bekannt ist, dass die Tabakindustrie über lange Jahre Forscher bezahlt hat, um ihre Interessen in der Wissenschaftslandschaft zu implementieren – selbst Forscher an Einrichtungen gegen das Rauchen. Und auch nicht nur, weil die Pharmaindustrie Nikotinprodukte herstellt und zugleich Forschungseinrichtungen finanziell unterstützt, die sich mit dem Rauchen befassen. Sondern auch, weil selbst der gut meinende Blick von Wissenschaftlern oft die wichtigen Themen verfehlt.Die DGNP hält zum Beispiel Studien über die Schädlichkeit des Passivrauchens für wenig erhellend. Dass das Passivrauchen schadet, gilt seit 1986 in den USA als Konsens. Keine Mutter, deren Baby man Rauch ins Gesicht bläst, braucht eine Studie, bevor sie ihr Kind in Sicherheit bringt – denn sie weiß: In eine Lunge gehört nur Luft. Mit dem gleichen Aufwand, den solche Studien erfordern, könnte man auch etwas gegen das Rauchen tun.

Viele Studien, von wohlmeinenden Instituten in Auftrag gegeben oder publiziert, demotivieren sogar Raucher beim Aufhören. In der Studie „Waist circumference and weight following smoking cessation in a general population“ von C. Pisinger und T. Jorgensen geht es beispielsweise um die durchschnittliche Gewichtszunahme infolge des Rauchstopps. Kernaussage: „Die durchschnittliche Gewichtszunahme bei 221 erfolgreichen Aussteigern betrug nach dem ersten Jahr Abstinenz etwas mehr als 4 kg pro Ex-Raucher.“ Die Botschaft für Aufhörwillige ist fatal: „Wer aufhört, nimmt zu.“ Doch das ist so nicht richtig. Es bedarf des Kontextes, den der rein empirische Ansatz nicht berücksichtigt.

Der Spruch „Rauchen macht schlank“ ist eine Erfindung des PR-Strategen Edward Bernays, ein Neffe Sigmund Freuds. Bernays erfand diesen Spruch in den 50er Jahren im Auftrag der American Tobacco Company, um neue Marktanteile unter Frauen zu erobern.

Da Raucher nicht durchgängig schlanker sind als Nichtraucher und viele Raucher übergewichtig sind, da Menschen mit gedrosselter Sauerstoffzufuhr zudem Nährstoffe schlechter verbrennen und Sport eher als frustrierend empfinden, ist diese Werbebotschaft bereits durch Alltagsbeobachtungen als unwahr zu entlarven.Der Kern des Phänomens ist leicht zu verstehen, wenn man ihn kennt: Das Gefühl „Ich brauche eine Zigarette“, also das Symptom des körperlichen Nikotinentzugs, fühlt sich etwa so an wie Hunger – es ist ein harmloses, schwaches Leeregefühl in Brust und Oberbauch, das nicht wehtut und das die meisten Raucher nachts nicht einmal weckt. Nach dem Rauchstopp kann dieses Gefühl noch einige Tage auftreten, vor allem dann, wenn man sich in bestimmten Auslösesituationen (Stress, Kaffee) an die Konditionierung zur Zigarette intensiv erinnert – etwa durch Therapieprogramme, in denen sich Ex-Raucher die Bedeutung nicht gerauchter Zigaretten vor Augen halten sollen. Indem man das Rauchen gedanklich weiter kultiviert, kann ein „Verzichtsgedanke“ entstehen und das Verlustgefühl kann aufgrund von Autosuggestion im Stile einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung als spürbare Illusion fortleben. Im ungünstigsten Fall „belohnen“ sich Ex-Raucher für den vermeintlichen „Verlust“ der Zigaretten mit Naschen und nehmen dadurch zu. Das scheinbare Hungergefühl verschwindet jedoch von ganz allein, wenn man sich nicht weiter damit befasst, sondern sich mit positiver Motivation auf sein künftiges Leben als Nichtraucher freut. Zudem kann die erhöhte Sauerstoffzufuhr infolge des Nichtrauchens grundsätzlich für eine bessere Nährstoffverbrennung sorgen, da der Körper nun meist schon von alleine mehr Bewegung verlangt.

Befragen Forscher 221 Ex-Raucher, ohne diesen Zusammenhang zu kennen, erhalten sie ein entsprechendes Ergebnis, das aufgrund der unterschlagenen Variable „kennt den Zusammenhang zwischen Nikotinentzug und Hunger / kennt ihn nicht“ auf die Gesamtpopulation der Ex-Raucher nicht übertragbar ist – aber auf Raucher im Allgemeinen demotivierend wirkt. Zumal eine durchschnittliche Gewichtszunahme von vier Kilogramm längst nicht bedeuten muss, dass auch der unwissende Ex-Raucher zwangsläufig zunimmt: In der entsprechenden Population halten etliche ihr Gewicht. Aufschlussreicher erschiene daher die Frage: Was haben die Zunehmer falsch und was die Gewichtsstabilen richtig gemacht?Ein weiteres, von Wissenschaftlern immer wieder ins Feld geführtes Argument ist die Sache mit dem Stoffwechsel. Leider betrachtet die Wissenschaft dieses für sich gesehen richtige Argument meistens ohne Kontext.

In der Tat verbrennen Raucher etwa 200 Kalorien pro Tag, die ein Nichtraucher nicht verbrennt, weil er dazu die Gründe nicht hat. Der Raucher hat sie: In komplexen physiologischen Prozessen muss der Körper die Folgen des Rauchens beseitigen. So stört das Kohlenmonoxid im Rauch den Sauerstoffaustausch in der Lunge, der ganze Organismus leidet unter Sauerstoffmangel und arbeitet daher unter Hochlast. Auch der Blutdruck steigt, und das kostet Energie. Zudem gleicht der Körper eines Rauchers einer Müllverbrennungsanlage: Raucher verarbeiten jeden Tag mehrere Dosen von mehr als 4000 Chemikalien, und auch zu deren Abbau benötigt der Körper Energie.

Diese Zusammenhänge begründen keine vernünftige Methode, schlank zu sein. Wieder Nichtraucher zu werden heißt, den schädlichen Einfluss zu stoppen und sich wieder in den Bereich des Normalen zu begeben. Warum sollte der Körper jetzt auf unnormal umschalten?Zudem ist es wichtig, das Stoffwechselargument ins richtige quantitative Verhältnis zu setzen: 200 Kalorien entsprechen etwa ein 50-Gramm-Müsli-Riegel ohne Schokolade oder einem Caesar-Salat mit gegrilltem Hühnerfleisch und Dressing bei einer bekannten Fastfood-Kette – eine Menge, die ein Ex-Raucher schon infolge der erhöhten Sauerstoff-Zufuhr problemlos verbrennen kann, wenn er sie in Bewegung umsetzt und die Zusammenhänge kennt.Zielführender als Studien übers Zunehmen und sinnvoller als beängstigende, mit sorgenvoller ärztlicher Miene vorgetragene Schwarzmalerei findet die DGNP die Aufgabe, Rauchern diese Zusammenhänge im Ganzen zu erklären und ihnen zu helfen, sie in ihrer Bedeutung richtig einzuordnen. Viel wichtiger als verwirrende Details ist es, Rauchern zu verdeutlichen, dass mit dem für Raucher gewohnten regelmäßigen Verlustgefühl nach dem Rauchstopp Schluss ist und dass die Angst vor Verzicht daher unbegründet ist. Mit dieser Erkenntnis und guter positiver Motivation leben Ex-Raucher vom ersten Tag an ohne Verlustgefühl. Sie halten nach dem Rauchstopp nicht nur ihre Figur, sondern nehmen infolge der erhöhten Sauerstoffzufuhr und besserer Körperwahrnehmung möglicherweise sogar ab – und fragen sich nach wenigen Tagen, warum so viele Wissenschaftler das Aufhören durch die Problem-Brille betrachten.

Quelle: http://www.nikotinpraevention.de/was_wir_wollen/wissenschaftskritik.html


Statistiken Teil 3

Laut Mikrozensus 2009 rauchte rund jeder Vierte (25,7 %) in der Gesamtbevölkerung ab 15 Jahren. Die Rate der Ex-Raucher lag bei 19,7 %. Das durchschnittliche Alter bei Rauchbeginn betrug 17,8 Jahre (in der Altersgruppe der 15 bis 20jährigen 15,4 Jahre).

Anteil der Raucher in Deutschland nach Alter und Geschlecht.

Alter Männer Frauen
15–20 19,9 % 15,0 %
20–25 39,9 % 32,8 %
25–30 44,3 % 32,2 %
30–35 42,5 % 28,3 %
35–40 39,0 % 27,9 %
40–45 38,3 % 30,3 %
45–50 38,9 % 31,1 %
50–55 36,7 % 28,3 %
55–60 30,7 % 22,2 %
60–65 24,9 % 16,8 %
65–70 17,0 % 11,0 %
70–75 12,5 % 6,7 %
über 75 8,0 % 3,6%

Quelle:
Gesundheitswesen – Mikrozensus 2009 – Fragen zur Gesundheit – Rauchgewohnheiten der Bevölkerung 2009. Statistisches Bundesamt


Initiativen gegen das Rauchen

Hier stelle ich einige Initiativen vor, die seit längerer Zeit bestehen und Informationen und Hilfestellung für Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, liefern.

rauch-frei.info ist die Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für alle Jugendlichen, die
mehr zum Thema Rauchen und Nichtrauchen wissen möchten – egal ob Raucherin / Raucher oder Nichtraucherin / Nichtraucher.

Im „Aktionsbündnis Nichtrauchen“ sind über 80 Organisationen des Gesundheitswesens in Deutschland zusammengeschlossen. Ziel ist es, Institutionen und Gruppierungen zusammenzuführen, um Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Rauchens wirksam in die Politik zu lancieren, um z.B. gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz der Nichtraucher sowie von Kinder- und Jugendlichen voranzutreiben. Das Steuerungsgremium besteht aus: Ärztlicher Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e.V., Bundesärztekammer, Bundesvereinigung für Gesundheit e.V., Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V., Deutsche Herzstiftung e.V., Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Deutsche Krebshilfe e.V., Deutsches Krebsforschungszentrum, Deutsche Lungenstiftung e.V.


Werbespot der deutschen Krebshilfe

Dies ist ein Werbespot der Deutschen Krebshilfe, welcher 2003 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde.


Nichtrauchen – Wie der Körper sich nach der letzten Zigarette erholt

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den einzelnen Phasen der körperlichen Erholung, sobald Sie mit dem Rauchen aufhören.

Zeit Erholungsprozess
20 Minuten 20 Minuten nach der letzten Zigarette nehmen Herzschlagfrequenz und Blutdruck ab.
12 Stunden Nach 12 Stunden normalisiert sich der Kohlenmonoxid-Spiegel im Blut.
2 Wochen bis
3 Monate
Nach 2 Wochen bis 3 Monaten verbessern sich der Kreislauf und die Lungenfunktion.
1 bis 9 Monate In den ersten 9 Monaten verringern sich die Zahl der Hustenanfälle und die Kurzatmigkeit. Die Lungenhärchen beginnen, ihre normale Funktion zurückzuerlangen und ihre Fähigkeit zu verbessern, Schleim abzutransportieren, die Lunge zu reinigen und das Infektionsrisiko zu reduzieren.
1 Jahr Nach einem Jahr Nichtrauchen ist das Risiko für Erkrankungen der Herzkranzgefäße (Herzinfarkte, Angina pectoris) nur noch halb so groß wie während des aktiven Rauchens.
5 Jahre Nach 5 Jahren hat sich auch das Risiko für Mund-, Rachen-, Speiseröhren- und Blasenkrebs halbiert. Das Risiko für Gebärmutterhalskrebs fällt auf Werte von Nicht-Rauchern. Auch das Schlaganfallrisiko kann innerhalb von 2-5 Jahren auf Werte von Nicht-Rauchern gesenkt werden.
10 Jahre Nach 10 Jahren ist das Risiko, an Lungenkrebs zu versterben, nur noch halb so groß wie bei Menschen, die weiterhin rauchen. Zudem nehmen die Risiken für Kehlkopf- und Bauchspeicheldrüsenkrebs ab.
15 Jahre 15 Jahre nach dem Rauchstopp ist das Risiko für Erkrankungen der Herzkranzgefäße wieder so, als hätte man nie geraucht.

Dies sind nur einige Vorteile vom Verzicht auf Rauchen. Er verringert zudem das Diabetes-Risiko, lässt die Blutgefäße besser arbeiten und hilft Herz und Lungen. Das Aufhören in jungen Jahren reduziert die Gesundheitsrisiken zwar stärker, doch es kann in jedem Alter Jahre an Lebensgewinn bedeuten, die durch den fortgesetzten Zigarettenkonsum verloren gegangen wären.

Quellen:
Webseite der American Cancer Society,  Stand September 2010
http://www.cancer.org/Healthy/StayAwayfromTobacco/GuidetoQuittingSmoking/guide-to-quitting-smoking-benefits
K.S. Zänker, N. Becker: Primäre Prävention, in: H.-J. Schmoll. K. Höffken, K. Possinger (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie, Springer Verlag 2006, S. 279-30

Quit Smoking Campaign tar

Ein weiteres Werbevideo vom Cancer Institute NSW, das im australischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.


Quit Smoking Campaign Artery

Dies ist ein Beispiel wie Werbung für das Nichtrauchen mit Negativbeispiel: Gesundheitliche Folgen mit Ekelfaktor ausgeübt wird. Dieser Spot vom Cancer Institute NSW wurde  2007 in Australien landesweit ausgestrahlt.